Hand aufs Herz: Wie sieht es bei dir aus?
Vielleicht ist dein Verhältnis zu deinem Körper ja irgendwo zwischen Feindschaft und Freundschaft angesiedelt, so wie es bei den meisten von uns der Fall ist. Irgendwie alles soweit okay bis auf ______ (Und diesen Satz kannst Du jetzt gleich gerne mal vervollständigen).
Wie gut wir uns mit unserem Körper verstehen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hier spielen unsere Erfahrungen eine wichtige Rolle. Alles, was wir erlebt haben, kann sich auf unsere Beziehung zu unserem Körper auswirken, positiv oder negativ. Traumatische Erlebnisse in der Kindheit wie Prügelstrafen oder sexualisierte Gewalt manifestieren sich körperlich ebenso wie (zu) hohe Erwartungen unserer Eltern, denen wir uns als Kind nicht gewachsen gefühlt haben.
Spieglein, Spieglein an der Wand …
wer ist die Schönste im ganzen Land?
Schönheitsideale, Normen, Rollenstereotype, also Vorstellungen darüber, wie Frauen und Männer zu sein haben, sind allgegenwärtig. Sie durchziehen unser Leben von unseren ersten Lebensmonaten an und prägen uns unbewusst. In der Werbung, in Filmen und auf Social Media werden wir überflutet von Informationen und Bildern, die uns suggerieren, welcher Zustand ‚ideal‘ ist: das ideale Gewicht, die idealen Körperproportionen … Es liegt nahe, dass wir uns dann, auch meist unbewusst, mit diesem Ideal vergleichen. Es wird zur Messlatte, an der wir uns selbst anlegen und frustriert feststellen, dass wir diesem Ideal nicht entsprechen.
Was antike Philosophen über den Körper dachten
Doch gesellschaftliche Einflüsse gehen tiefer. Denkmuster, geprägt von Kultur und Religion, eingebettet in unsere kollektive Weltanschauung, beeinflussen die Art, wie wir die Welt sehen und – noch wichtiger – wie wir uns selbst sehen. Dass sich dies sich in den letzten Jahrtausenden verändert hat, ist logisch.
Platon, der bekannte Philosoph im antiken Griechenland, schrieb dazu: „Der Mensch ist eine verkörperte Seele“. Doch schon sein Schüler Aristoteles vollzog in dieser Hinsicht eine erstaunliche Wende: „Der Mensch ist ein beseelter Körper“. Hier wird, vermutlich das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, der Körper als von der Seele getrennt betrachtet und auf ein bloßes Behältnis reduziert, ein Gefäß für die Seele.
Etliche Jahrhunderte später, Ende des 16. Jahrhunderts proklamiert René Descartes sein berühmtes „Ich denke, also bin ich“ und reduziert damit den Körper endgültig auf ein nachrangiges Objekt.
Der Körper als Ort der Gewalt
Diese Trennung von Körper und Seele hatte Folgen, unter denen viele von uns bis heute leiden: Der Körper wurde regelrecht zum Schlachtfeld. Hier fechten wir unsere Kämpfe aus, meist gegen uns selbst.
Und besonders der weibliche Körper ist seit unzähligen Generationen Ziel von Gewalt und Aggression von Anderen, meist Männern: die verschiedenen Formen sexualisierter und körperlicher Gewalt gegen Frauen bis hin zur Tötung ziehen sich bis heute unverändert durch die Geschichte.
„Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 938 Opfer von (versuchten und vollendeten) Femiziden polizeilich erfasst. Damit stieg ihre Zahl das zweite Jahr in Folge.“
(https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1536953/umfrage/opfer-von-femiziden-in-deutschland/)
„Jede 3. Frau in Deutschland ist von sexueller und/oder körperlicher Gewalt betroffen, 2 von 3 Frauen erleben sexuelle Belästigung.“
(https://www.hilfetelefon.de/das-hilfetelefon/zahlen-und-fakten.html).
Diese Gewalt ist Zeichen von mehr oder weniger offener gesellschaftlicher Abwertung von Frauen, von Weiblichkeit. In der Folge sind es auch vermehrt wir Frauen, die Probleme haben mit unserem Körper. Aber viele Frauen haben nicht nur die Abwertung, sondern auch die Trennung von Körper und Seele tief internalisiert, sind dadurch leichte Beute für Schönheitsideale und die damit verbundenen Problematiken (dies triff auch immer häufiger auf Jungen und Männer zu). Schuld, Scham, geringes Selbstwertgefühl, dies und einiges mehr sind Reaktionen auf diese gesellschaftliche Abwertung und Gewalt, doch allzu oft empfinden wir sie eher als persönliches Versagen.
Wie können wir diese Trennung in uns überwinden?
Spätestens mit der christlichen Kirche wurde bei uns ‚Körper‘ gleichgesetzt mit ‚Sünde‘. Lust und Sinnlichkeit hatte keinen Platz mehr in einer Religion mit einem einsamen Mann an der Spitze und schon gar nicht weibliche Sinnlichkeit. Auch wenn wir heute deutlich freier mit weiblicher Sexualität und Lust umgehen können als noch unsere Mütter oder Großmütter, sind wir noch weit davon entfernt, Körperlichkeit und Seele/Geist miteinander zu verbinden. Manchmal scheint es fast, als hätten wir mit unserem Körper auch unsere Seele verloren.
Unsere ursprüngliche Heiligkeit wieder herstellen
Doch wie können wir es schaffen, wieder „verkörperte Seele“ zu sein? Wie können wir sie wieder entdecken, diese Verbindung von Seele/Geist und Materie? Dieses ursprüngliche Heil-Sein, die ursprüngliche Heiligkeit?
Wie so oft liegt der Schlüssel in den einfachen Dingen. Und zahlreiche spirituelle Traditionen weisen uns Menschen schon seit Jahrtausenden den Weg:
• Aufmerksamkeit in unseren Körper lenken
• Atem bewusst einsetzen
• Bewegung
• Singen (darf auch ein Brummeln sein …)
• Berührung
Aufmerksamkeit durch deinen Atem
Die Energie folgt der Aufmerksamkeit. Wenn wir regelmäßig kurz innehalten und uns auf unseren Atem konzentrieren, bilden wir eine Brücke zwischen unserem Geist und unserem Körper. In stressigen Zeiten kann das eine Herausforderung sein. Hier hilft es, einfach ein paar Mal länger aus- als einzuatmen. Und unter dem Stichwort „Atem“ gibt es inzwischen etliche Apps, die Atemübungen oder Atemtechniken anleiten und es dir leichter machen, dauerhaft dranzubleiben.
Bewegung – mit Freude zu mehr Körperlichkeit
Bewegung ist ein weiterer zentraler Zugang zu unserem Körper, wie der Atem ist es eine regelrechte Schnellstraße. Allerdings steht dabei der Spaß im Mittelpunkt. Fitness & Co ist wichtig, ganz klar, nützt uns aber nichts, wenn wir dabei eher wieder gegen unseren Körper arbeiten. ‚Arbeit‘ bringt uns hier nicht weiter. Wir wollen die sinnliche Seite wieder erwecken, den Spaß und die Lust an der Bewegung. Solange wir Spaß haben, sind wir auf dem richtigen Weg. Das kann Joggen sein oder spazieren gehen oder auch tanzen. Eins meiner Lieblingsstücke zum Tanzen findest Du hier.
Wenn gerade kein Platz ist für Musik und Tanz, reicht es auch aus, dich einfach mal zu schütteln. Das geht zur Not auch auf dem stillen Örtchen. Alles, was dich gerade stresst, abschütteln. Tiere machen das ganz automatisch als normale Reaktion auf eine stressige Situation.
Deine Stimme – dein Ausdruck
Unsere Stimme steht für Kommunikation und Ausdruck, zum Beispiel unserer Bedürfnisse. Sie hat aber auch einen direkten Draht zu unserem autonomen Nervensystem, mit dem wir Stress ausgleichen (… sollten; leider fällt uns das zunehmend schwerer), also die Balance zwischen Stress und Ruhe wieder herzustellen. Diese Steuerung geschieht zu 80% über den Körper und zu 20% über das Denken. Wenn wir singen oder summen stimulieren wir unser autonomes Nervensystem, zum Teil auch allein deshalb, weil wir tiefer atmen.
Berührung – die sanfte Erinnerung an dein Körperempfinden
Der ganz direkte Weg zu unserem Körperempfinden ist allerdings die Berührung. Sei es, dass wir berühren oder berührt werden, der direkte Kontakt bringt uns sofort in unseren Körper, verbindet uns mit ihm, lässt uns wieder hineinspüren in dieses Wunderwerk. Wir sind soziale Wesen und ohne Berührung wären wir verloren. Alles, was sich angenehm anfühlt, ist erlaubt. Doch auch wenn kein lieber Mensch in der Nähe ist, von dem/der wir uns in den Arm nehmen lassen können, müssen wir nicht auf Berührung verzichten. Wir können uns selbst berühren, uns streicheln, den Nacken massieren oder in den Haaren kraulen. Verbunden mit einer duftenden Creme oder einem Massageöl, kann aus dem ‚Ich-berühre-mich-selbst‘ ein ‚Ich-berühre-mein-selbst‘ werden.
Ein magischer Weg zu einer tiefen Verbindung zwischen Körper und Seele.
Was machst Du, um dich wieder mehr zu spüren? Hast Du eine Lieblingsmusik, zu der Du gerne tanzt? Schreib es gerne in den Kommentar: